Generation Y: Don´t hate the player – understand the game!
Warum die Generation Y eigentlich keine Generationsfrage ist und was die HR Community von Ford & Google noch lernen kann.
Am 10. und 11. März haben wir an einer Konferenz des Management Circle in Frankfurt teilgenommen, wo sich Personalleiter aus dem Enterprise-Umfeld zum zweitätigen Austausch und Netzwerken trafen. Neben interessanten Impulsvorträgen hatte ich Gelegenheit mich mit einigen Gesprächspartnern zur aktuellen Lage von Human Resources in ihren Unternehmen zu unterhalten. Und tatsächlich gibt es zunehmend Kollegen, die die aktuellen Herausforderungen für HR bereits verstanden und angepackt haben.
Zu meinen persönlichen Highlights gehörten das Gespräch mit Frau Dr. van Gastel von Ford, der Impulsvortrag von Herrn Kohl-Boas von Google und nicht zuletzt die hitzige Diskussion zu meinem persönlichen „Lieblingsthema“ Active Sourcing. Dazu später mehr.
Kurz vorab zum Rahmen der Veranstaltung: Das zweitägige Event fand in der Villa Kennedy in Frankfurt statt. Bei frühlingshaften Temperaturen hatten wir viel Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
Am ersten Tag eröffnete Prof. Fischer die Veranstaltung und bildete den organisatorischen Rahmen. Herr Klumpp von Hugo Boss plädierte in seinem Impulsvortrag anschließend für mehr Kundenorientierung – auch in HR – und öffnete damit erstmals auch einen wertschöpfenden Blick auf das Personalwesen. Mit Frau Dr. van Gastel von der Ford-Werke GmbH hatte ich Gelegenheit über nachhaltige Personalentwicklungskonzepte zu sprechen. Ford setzt auf Lebenszeitmodelle und fördert so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein Wunsch, den viele Mitarbeiter hegen und der doch in Deutschland heute nur in wenigen Unternehmen erfüllbar scheint. Besonders gefallen hat mir hier das Modell der Elternzeit, das auch männliche Kollegen unterstützt, die ihren Nachwuchs während der ersten Zeit betreuen möchten. Das Prinzip ist einfach: Arbeits- und Lebenszeit müssen nicht getrennt, sondern vielmehr vereinbart werden. Dass eine strikte Orientierung an der Stempeluhr diesem Grundsatz nicht gerecht wird, hat Ford begriffen. Für ein so großes Unternehmen mit ebenso großen Herausforderungen ist das ein bedeutsamer Schritt, der sich sicher auf viele Unternehmen adaptieren ließe.
Spannend empfand ich auch die Round Table Diskussion, u.a. mit den Kollegen von Experteer, die sich engagiert für die Direktansprache durch Personaler selbst aussprachen. Diesen Gedanken konnte ich nur unterstützen. Und dennoch gab es auch Gelegenheit durch Diskussion mit einigen Social Media Mythen aufzuräumen, z.B.:
Mythos 1: „Business- und Karrierenetzwerke erreichen passive Kandidaten.“
Aus meiner Sicht falsch. Passive Kandidaten (=latenter Wechselwunsch) melden sich nicht in Netzwerken mit Datenbankcharakter an, die auf die Jobsuche abstellen, weil passive Kandidaten laut Definition ja eigentlich gar nicht auf Jobsuche sind. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Meine These daher: wenn Xing mit der Jobsuche für Kandidaten im TV wirbt, melden sich dort heute kaum passive, sondern nur noch aktiv jobsuchende Kandidaten an. Das war zu Beginn anders, als das Portal noch auf reine Vernetzung aus war.
Mythos 2: „Man kann die Direktansprache durch Unternehmen selbst nicht so nennen.
Das heißt heute Active Sourcing – das kennt jeder.“
Stimmt nahezu. Jeder zweite Gesprächspartner spricht über Active Sourcing. Ich bin der Meinung, dass zu viel Marketing und zu wenig rationale Substanz einem ohnehin jungen Social Media Recruiting auf Dauer nicht gut tun. Dabei gibt es Erfolge, messbare Vorgehensweisen und positive Erfahrungen durch Personaler selbst. Wir sollten uns weniger mit den richtigen Begriffen aufhalten, als an wirklicher Wertschöpfung im Social Media Recruiting arbeiten. Im Zweifel auch im Sinne von „try-fail-track-learn“. Nur so vermeiden wir alle eine Blasenbildung, deren Omen sich mir schon seit einiger Zeit aufdrängen.
Mythos 3: „Personaler haben ein Ressourcenproblem und daher keine Zeit, um erfolgreich Direktansprache betreiben zu können“.
Beliebtes Argument bei Personaldienstleistern. Diese Herausforderung ist schnell gemeistert: Wenn Personaler messen, welche Portale qualifizierte Bewerbungen hervorbringen und Ihre Anzeigen in erfolglosen Portalen einstellen, haben sie mehr Zeit sich selbst die Kandidaten auszusuchen, die sie wirklich in einer bestimmten Position sehen. Ich denke hier fehlt nur eines: die Akzeptanz, dass ein Personaler heute den ganzen Tag in (sozialen) Netzwerken „stöbert“ und dabei mehr leisten kann, als durch Post & Pray.
Apropos mehr leisten können: Den Paukenschlag gab Herr Kohl-Boas von Google am zweiten Konferenztag mit seinem Impulsvortrag zur Personalarbeit bei Google, die ein partizipatives Führungs- und Arbeitsmodell fördert, das durch Kreativität und Selbstbestimmung verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder Führungskraft geprägt ist. Führungskräfte als „Diener“ ihrer Mitarbeiter darzustellen, war sicher nicht jedermanns Sache, obgleich hier wohl eher die Führungskraft als eine Art Dienstleister für ihre Mitarbeiter zu verstehen war. Die Mitarbeiterwünsche zu verstehen, ihnen zuzuhören und gemeinsam mit ihnen an Möglichkeiten zu arbeiten, ihre Wünsche zu berücksichtigen – das war die eigentliche Kernbotschaft. Mitarbeiter über alle Hierarchiestufen hinweg mit Führungskräften ins Gespräch zu bringen, die Arbeitsumgebung so zu gestalten, dass ein Mitarbeiter sich eher in einem angenehmen, natürlichen Umfeld wiederfindet und Möglichkeiten für Heimarbeit zu schaffen, hat Google bereits erfolgreich umgesetzt. Sicher könnte man diese Maßnahmen mit der Diskussion um die Generation Y in Verbindung bringen. Doch genau diesem Ansatz hatte Herr Kohl-Boas schnell den Gar ausgemacht. Er ist der Ansicht, dass Generation Y keine Generationenfrage ist. Auch ein 45-jähriger kann den Wunsch nach mehr Freiheit oder Heimarbeit haben – so sein Credo. Spannend auch der Ansatz, dass Führungskräfte bei Google angehalten werden, sich im Rahmen von Konferenzen o.Ä. auch selbst nach potenziellen Kollegen umzusehen bzw. ihre Mitarbeiter dazu anzuregen.
Mein Fazit: HR als gemeinsames Vorhaben, Kollaboration statt Micromanagement und die Generation Y losgelöst vom Alter zu betrachten – diese Ansichten kann ich nur teilen. Zwei spannende und gut organisierte Konferenztage mit unzähligen interessanten Gesprächen rund um Personalmarketing, Recruiting und Personalentwicklung.
Foto: mrsdkrebs (CC-BY-2.0)
Ein wunderbarer Beitrag. Besonders aus dem Herzen spricht mir folgende Passage:
„(…). Ich denke hier fehlt nur eines: die Akzeptanz, dass ein Personaler heute den ganzen Tag in (sozialen) Netzwerken „stöbert“ und dabei mehr leisten kann, als durch Post & Pray. (…)“
Meiner Erfahrung nach hat Social Media Recruiting vor allem dort Akzeptanz, wo es schnell sichtbare Ergebnisse liefert. Dabei ist Unternehmensleitungen oft nicht bewusst, dass „social“ erst einmal aufgebaut werden muss und nichts mit einer „hallo-wir-sind-da-bewirb-dich-bei-uns-Mentalität“ zu tun hat. Es gibt noch viel zu tun, also lassen Sie uns dazu bloggen!
Hallo Herr Scheller,
danke für Ihre Reaktion. Ich hoffe das Verständnis im Social Media Recruiting / HR insgesamt für mehr Performance wächst über die Zeit. Wie Sie sagen, es gibt noch viel zu tun… Viele Grüße, Karin Hohn