FÄNGT DER FRÜHE VOGEL NACH WIE VOR DEN WURM? DIE BEDEUTUNG FÜR HOME OFFICE, HR UND CO
Eine Beitragsreihe zum Thema frühes Aufstehen auf einem HR-Blog? Wie passt denn das zusammen??
Sehr gut sogar. Denn das ist es, was HR so interessant macht: Die Vielseitigkeit. HR dreht sich um Menschen, die in einem beruflichen Kontext zusammenfinden. Und Menschen sind nun einmal verdammt komplex! Von ihren Motivatoren und Fachkompetenzen bis zu ihren Persönlichkeitsprofilen und Arbeitszeiten-Rhythmen.
Was genau hat HR nun also mit dem Schlafrhythmus der Mitarbeiter zu tun? Ist das frühe Aufstehen und Erscheinen auf der Arbeit noch zeitgemäß? Und sind wir tatsächlich produktiver in den frühen Morgenstunden? Das und mehr in diesem und im Folgebeitrag.
DER WURM DARF AKTUELL LÄNGER LEBEN
Beim Scrollen durch LinkedIn bin ich auf eine sehr interessante Diskussion gestoßen. Ein Geschäftsführer (anonym) unterstellte seinen Mitarbeitern, dass diese seit Beginn der Home-Office-Regelung später aufstehen. Der gesamte Rhythmus scheint sich nach hinten verschoben zu haben. Die ersten Nachrichten gehen bei ihm nun um 9 oder 10 Uhr morgens ein, wohingegen ihn die letzten teilweise noch um 20 Uhr abends erreichen.
Klingt einleuchtend. Der Arbeitsweg hat sich von vielen Kilometern auf ein paar Schritte verkürzt. Da ist die Versuchung groß, das Aufstehen nach hinten zu verschieben. „Isch ja net weit bis uff die Arbeit!“ Ist das ein Nebeneffekt von Digitalisierung und ortsunabhängigen Arbeiten? Stichwort Pyjama-Office? Was ist mit dem frühen Vogel passiert, ausgestorben, evolutionär bereinigt? Oder hat sich der Vogel als Eule herausgestellt und verspeist den Wurm nun nach Sonnenuntergang?
DAS DEUTSCHE HABITAT DES FRÜHEN VOGELS
„Der frühe Vogel fängt dem Wurm.“ Ein Sprichwort, das sich in Deutschland großer Popularität erfreut. Es wird in Zusammenhang gebracht mit Produktivität, Disziplin und Ehrgeiz. Und tatsächlich: Die meisten deutschen sind Early Riser! Eine Studie aus dem Jahre 2017 ergab, dass der Großteil der deutschen zwischen 6 und 7 Uhr aufsteht (an Arbeitstagen). Doch ist das noch zeitgemäß? Sind wir tatsächlich produktiver, wenn wir früher aufstehen?
DEM FRÜHEN VOGEL AUF DER SPUR
Wer früher aufsteht, der schafft mehr. Klingt einleuchtend und erstrebenswert. Zumindest bis zu dem Moment, in dem der Wecker klingelt. Mit dem ersten Ringen sind die guten Argumente meist dahin. „Sind doch nur 5 Minuten!“, denken morgens 50% der Deutschen, während sie blind nach dem Snooze Buttom tasten.
Doch es scheint dennoch etwas an dieser Behauptung dran zu sein. Schaut man sich die Tagesroutinen internationaler Topverdiener an, ist vor allem eines auffällig: Die meisten Topverdiener stehen tatsächlich sehr früh auf. Manche sogar noch vor 4 Uhr morgens! Eine Studie des US-amerikanischen Matratzen-Herstellers „Amerisleep“ konnte in eigenen Erhebungen zudem einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen frühem Aufstehen und der Höhe des Gehalts feststellen.
VORTEILE VOM FRÜHEN AUFSTEHEN
„Endlich! Da ist es: Das lang ersehnte Geheimnis, wie man schnell zu Reichtum kommt! Einfach früh aufstehen!“
Leider muss ich dich enttäuschen. Denn ganz egal, wie lange du suchst: Meinen Namen wirst du auf keiner Liste von Superreichen finden. Obwohl bei mir jeden Morgen um 4:45 Uhr der Wecker klingelt. Also doch nichts dran an der Behauptung: „Wer früh aufsteht ist produktiver?“ 5am Club adieu?
Nun, auch wenn ich nicht reich bin, kann ich dem Aufstehen um 5 Uhr morgens einiges abverlangen. Hier meine top 3 Gründe, warum ich gerne früh morgens aufstehe:
#1 NATÜRLICHER SCHLAF-/WACH-RHYTHMUS
Grund Nummer 1: Man hat einfach viel vom Tag! Ich stehe morgens mit der Sonne auf und sage ihr abends gute Nacht, wenn ich mich bettfertig mache. Das spart nicht nur Stromkosten, sondern entspricht unserem natürlichen Biorhythmus. Weniger künstliches Licht und ein natürlicher Wach- und Schlafrhythmus. Welche positiven Auswirkungen das auf unsere Gesundheit hat, kannst du zum Beispiel im Buch „The Primal Blueprint“ von Mark Sisson nachlesen.
#2 RUHE UND WENIGER ABLENKUNG
Weniger Ablenkungen ist ein häufig genanntes Argument in Verbindung mit frühem Aufstehen. Da die meisten später aufstehen sind E-Mails, Anrufe oder sonstige Unterbrechungen zu frühen Morgenstunden unwahrscheinlich und selten. Das erleichtert Konzentration und fördert den Working-Flow.
Auch wenn dieses Argument nicht ganz auf meine Situation zutrifft (man beachte die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Brasilien). Ich kann diesem Argument doch zu einem Teil zustimmen. Brasilien ist tendenziell ein sehr lautes Land. Um 5 Uhr morgens ist es neben der Dunkelheit aber vor allem eines: Still. Keine Bauarbeiten, keine Autos, keine Motorräder, keine schreienden Kinder und kein Hundegebell. So kann ich in Ruhe meiner Morgenroutine nachgehen.
#3 FEELING OF ACCOMPLISHMENT
Vielleicht kennst du das auch von dir selbst: Wenn ich spät aufstehe, habe ich große Schwierigkeiten in Schwung zu kommen. Es fällt mir schwer, mich zu motivieren und ich fühle mich von Beginn an unproduktiv. Frühes Aufstehen hat die gegenteilige Wirkung auf mich. Warum ist das so?
„If you want to change the world – start of by making your bed“ behauptet U.S. Navy Admiral Seal William H. McCraven in seiner berühmten Rede für den Abschlussjahrgang 2014 an der University of Texas. Nicht, dass es eine besonders schwierige Aufgabe wäre, sein Bett zu richten. Allerdings erfüllt es einen doch mit gewissem Maß an Stolz, den Tag produktiv zu starten.
Wenn es dir an Antrieb fehlt, „go brush your teeth“, empfiehlt der YouTuber Joey Schweitzer in einem Video zum Thema Prokrastination. Diese monotone Handlung hilft, den Ball ins Rollen zu bringen und aktiv zu werden.
Ich habe das Gefühl, mit dem frühen Aufstehen verhält es sich ähnlich. Auch wenn es eine kleine Handlung ist: Es ist nicht einfach, früh aufzustehen. Gerade deshalb vermittelt es ein Gefühl von Stolz und inspiriert dazu, produktiv zu sein. Nach dem Motto: „Warum habe ich mich dazu gezwungen so früh aufzustehen, wenn ich diese Zeit nun nicht nutze?“ Es ist diese simple Handlung, die einen zu Beginn des Tages in das richtige Mindset versetzt.
VOGEL IST NICHT GLEICH VOGEL
„Sollen wir nun alle um 5 Uhr morgens aufstehen? Du bist mir aber auch so ein Vogel. Was ist dann zum Beispiel mit der früh morgendlichen Ruhe, wenn alle Menschen wieder zur gleichen Zeit mit der Arbeit beginnen?!“
Nein, ich will damit nicht sagen, dass sich jeder um 5 Uhr morgens aus dem Bett quälen soll. Ich möchte dich mit diesem Beitrag nur dazu ermuntern, dem frühen Aufstehen eine Chance zu geben. Wir alle sind unterschiedlich. So auch in unserem individuellen Wach-Schlaf-Rhythmus. Man unterscheidet hier zwischen den Lerchen – den natürlichen Frühaufstehern – und den Eulen, welche eher zu späteren Tageszeiten zu persönlichen Höchstleistungen hochfahren.
IM GRUNDE SIND WIR DOCH ALLE NUR VÖGEL
Aber egal ob Lerche oder Eule. Im Grunde sind wir doch alle nur Vögel auf der ständigen Suche nach dem Wurm. Es gilt also selbst herauszufinden, was einem besser liegt.
Ich für meinen Teil kann folgendes Mitgeben: Was ich noch vor circa drei Jahren als „Frühes Aufstehen“ definiert habe, ist weit entfernt von meiner heutigen Definition. Damals habe ich bereits geflucht, wenn mein Wecker um 8 Uhr morgens geklingelt hat. 5 Uhr morgens, diese Uhrzeit hat für mich gar nicht existiert. Umso später ich aufstehen musste, desto besser. Ich war fest davon überzeugt, eine Eule zu sein.
Ob ich das letztendlich bin? Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich es damals! Heute würde ich mich zu den Lerchen zu zählen. Es gibt mir ein gutes Gefühl, bereits beim Mittagessen um 12 behaupten zu können, die wichtigsten Aufgaben des Tages bewältigt zu haben. Lass es also darauf ankommen und probiere es aus! Was es dabei zu beachten gibt und wie das frühe Aufstehen am besten gelingt, das findest du im nächsten Beitrag.
VOGELNEST HR
Kommen wir vom Biologie Ausflug über Lerchen und Eulen zurück ins Vogelnest HR. Was hat das nun für Personalführung und Management zu bedeuten? Tatsächlich kann festgestellt werden, dass Arbeitnehmer seit Beginn von Home Office und co. tendenziell später aufstehen. Das muss nichts Verkehrtes sein. Manche Menschen funktionieren spät abends einfach besser als früh morgens. Solange keine Meetings verschlafen werden, steht dem tendenziell nichts im Wege.
Mobiles Arbeiten sowie flexible Arbeitszeitmodelle erfreuen sich daher einer immer größeren Popularität. In Anbetracht der unterschiedlichen Tagesrhythmen verschiedener Menschen macht das Sinn. Denn Produktivität ist im Endeffekt keine Frage der Uhrzeit, sondern der persönlichen inneren Uhr. Und die gehen alle unterschiedlich.
VOR- UND NACHTEILE VON FLEXIBLEN ARBEITSZEITEN
Sollte Mitarbeitern also bedingungslose Selbstbestimmung in der Wahl der eigenen Arbeitszeiten gelassen werden? Hier sind wichtige Vor- Und Nachteile, die es dabei zu bedenken gilt:
+ Mitarbeiter haben ein Gefühl von Selbstbestimmung auf der Arbeit
+ Das Wählen der Arbeitszeiten entsprechend dem eigenen Rhythmus
+ Bessere Vereinbarkeit von Job und Privatleben, vor allem für Eltern
+ Verringern von Müdigkeit und Antriebslosigkeit bei Arbeitnehmern
+ Kürzere Arbeitswege durch Entzerren von Rush Hour Zeiten
+ Attraktivität des Arbeitgebers und Vorteile für das Recruiting
– Erschwerte Planbarkeit bei Absprachen, Terminplanung und Projektgeschäften
– Ausnutzen der Flexibilität durch Arbeitnehmer
FAZIT
Das Anbieten flexibler Arbeitszeitmodelle wird von Mitarbeitern als sehr positiv wahrgenommen. Eine in den USA durchgeführte Studie ergab, dass 80% der Arbeitnehmer einen Job ablehnen würde, der keine flexiblen Arbeitszeiten anbietet. Die Schwierigkeit an flexiblen Arbeitszeitmodellen liegt im Management der Mitarbeiter. Unterschiedliche Anwesenheitszeiten erschweren Planbarkeit und Absprachen. Ein Ansatz dem entgegenzuwirken sind sogenannte Core-Arbeitszeiten.
Auch wenn Studien einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen Frühem Aufstehen und Produktivität herstellen: Jeder Vogel – entschuldige, Mitarbeiter! – verfügt über einen individuellen Wach-/Schlafrhythmus und eine innere Uhr. Wie die eigene Uhr tickt, gilt es dabei selber herauszufinden. Arbeitgeber mit flexiblen Arbeitszeit-Modellen können bei diesem Selbstexperiment einen unterstützenden Rahmen bieten.
Kontakt zum Autor:
https://www.linkedin.com/in/sven-daniel-fraede/
sven.fraede@jobambition.de
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