Experiment: Skype- vs. Telefoninterviews im Bewerbungsprozess
2008 haben wir uns das erste Mal intensiv mit der Frage beschäftigt, ob wir unsere telefonischen Vorauswahlinterviews nicht durch eine modernere Art des Interviews per Skype oder anderer Tools ersetzen sollten. Verlockend ist es auch heute noch, einen Bewerber nicht nur zu hören, sondern dabei zumindest ein Gesicht zu sehen. Um es gleich vorweg zu nehmen: wir haben uns dagegen entschieden!
Die Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht. Im Gegenteil – wir haben aus Neugierde ein Experiment dazu aufgesetzt.
Skype- vs. Telefoninterview: Das Experiment
- So haben wir mit zwei Probanden – beide aktiv auf Jobsuche – ein typisches Jobinterview simuliert und per Skype aufgezeichnet (Videoanruf).
- Mit beiden Probanden haben wir je einen psychologischen Persönlichkeitstest und einen klassischen Intelligenztest durchgeführt. Anschließend haben wir aus der aufgezeichneten Videodatei den Ton extrahiert, sodass uns das exakt selbe Interview einmal mit und einmal ohne Bild zur Verfügung stand.
- Nun haben wir 100 Personaler zusammengetragen und Gruppen gebildet. Die eine Gruppe sollte sich jeweils das Skype-Interview der Bewerber ansehen, während die zweite Gruppe lediglich die Audioversion des Gesprächs bekam. Nachdem sich die Probanden einige Minuten des Interviews angesehen/angehört hatten, erhielten Sie einen Fragebogen, der zahlreiche Items des Persönlichkeits- & Intelligenztests enthielt, den die Bewerber vorab absolviert hatten.
- Die Personaler sollten also anhand des gesehenen / gehörten Interviews auf die Intelligenz und Persönlichkeit der Bewerber schließen.
Was glauben Sie: bei welcher Interviewform kann man tatsächliche Intelligenz & Persönlichkeit besser einschätzen?
Es war das Audio, das Personaler zuvor gehört hatten, die mit ihrer Einschätzung sehr nah an die tatsächlichen Persönlichkeits- & Intelligenzwerte der Bewerber herankamen! Damit sind Telefoninterviews besser geeignet, um ein realistisches Bild eines Menschen bzw. seiner Persönlichkeit und Intelligenz zu erlangen, als das Skype-Interview.
Das überrascht Sie? Das sollte es nicht, denn wir alle lassen uns gern von gesehenen Eindrücken beeinflussen. Hören wir Bewerber im ersten Telefonat, so können wir lediglich Merkmale wie die Stimme, die Tonlage, Hintergrundgeräusche, Betonungen oder Sprachpausen in unsere Bewertung einfließen lassen. Sehen wir den Bewerber hingegen im Skype-Interview, so fließen z.B. Mimik, Gestik, Erscheinungsbild der Person mit in unsere Beurteilung. Und damit kann man natürlich deutlich besser beurteilen, ob einem die Person ähnlich (und damit sympathisch) ist, sie mit ureigenen Steoreotypen belegen oder das Gespräch durch gesehene Eindrücke überstrahlen lassen (Beurteilungsfehler im Bewerbungsgespräch gern an anderer Stelle in diesem Blog ;-)).
Eins ist sicher: In puncto Objektivität eines Interviews aus eignungsdiagnostischer Sicht ist das Telefoninterview zur Erstauswahl besser geeignet. Baut man hingegen, z.B. bei Bewerbern aus dem Ausland – später ein weiteres Skype-Interview ein, so können sich Interviewer und Bewerber schon früh „ein Bild“ voneinander machen.
Foto: Skype
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